Gotthard Günther
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Gotthard Günther (* 15. Juni 1900 in Arnsdorf, Landkreis Hirschberg, Provinz Schlesien, † 29. November 1984[1]) war ein deutscher Philosoph, Logiker und der erste tatsächliche Science Fiction-Experte in Deutschland.
Leben
Günther wuchs in einem Pastorenhaus in Oberschlesien auf und kam schon früh in Kontakt mit Werken der klassischen Bildung. Er studierte neben Philosophie auch Indologie, klassisches Chinesisch, Sanskrit und vergleichende Religionswissenschaften. Er erwarb im Mai 1933 den Doktorgrad bei Eduard Spranger. Die erweiterte Dissertation "Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik" erschien im selben Jahr bei Felix Meiner. Seine jüdische Frau Marie Günther, geb. Hendel, verlor nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ihre Stelle als Lehrerin und ging nach Italien. Am Vigiljoch, oberhalb von Lana, war sie im November 1933 Mitbegründerin des Alpinen Schulheims am Vigiljoch. Gotthard Günther war ebenfalls an dieser Schule für kurze Zeit als Lehrer tätig, nachdem auch er Deutschland verlassen hatte.
Günther verlor 1935 sein Stipendium und nahm eine Assistentenstelle bei dem um vier Jahre jüngeren Arnold Gehlen an, der soeben nach Leipzig berufen worden war. Günther gehörte also zum Umfeld der Leipziger Schule der Soziologie. Günther war, anders als die Leipziger Gehlen oder Helmut Schelsky, der mit Günther 1937 das Buch Christliche Metaphysik und das Schicksal des modernen Bewußtseins veröffentlichte, nie Nationalsozialist.
1937 emigrierte das Ehepaar Günther von Italien aus nach Südafrika, und von dort 1940 in die USA. Günther erhielt ein Forschungsstipendium und arbeitete an der Widener Library der Harvard-Universität in Cambridge, Massachusetts. In dieser Zeit entwickelt sich eine Freundschaft zu dem ebenfalls in Cambridge lebenden Ernst Bloch.
1945 begann Günther seine Arbeiten der reflexionstheoretischen Interpretation mehrwertiger Logiken, die ihn zur Entwicklung seiner Stellenwertlogiken führten, die er später auch als „ontologisches Ortswert-System“ bezeichnet. Das Ehepaar Günther nahm 1948, acht Jahre nach der Immigration, die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
1952 erhielt er auf Vorschlag von Kurt Gödel einen Forschungsauftrag der Bollingen Foundation.
1953 bis 1955 erschienen erste Veröffentlichungen Günthers in den USA über logisch-metaphysische Themen. Da die Aufsätze von einschlägigen philosophischen Fachzeitschriften in den USA abgelehnt wurden, publizierte Günther diese Arbeiten in einer umgeschriebenen, auch für interessierte Laien verständlichen Form in den US-Science Fiction-Magazinen Astounding Science Fiction (später umbenannt in Analog) und Startling Stories.
Science Fiction
In den späten 1940er Jahren lernte Günther den SF-Autor John W. Campbell kennen, der ihn auf die Bedeutung der amerikanischen Science Fiction-Literatur aufmerksam machte. Aufgrund seiner Freundschaft mit Campbell lerne er viele amerikanische SF-Autoren persönlich kennen und war stets ein gern gesehener Gast in New Yorker SF-Kreisen und im SF-Fandom.
1952 gab Günther im Karl Rauch Verlag (Düsseldorf) eine von ihm kommentierte vierbändige Reihe Rauchs Weltraum-Bücher heraus.
- John W. Campbell jr. Der unglaubliche Planet, Originaltitel "The Incredible Planet" aus 1949
- Jack Williamson Wing 4, Originaltitel "The Humanoids" aus 1948
- Isaac Asimov Ich, der Robot, Originaltitel "I, Robot" aus 1950
- Gotthard Günther (Hrsg.) Überwindung von Raum und Zeit, Originalzusammenstellung mit Stories von Isaac Asimov, John W. Campbell jr., Lewis Padgett, H. Beam Piper, Clifford D. Simak, A. E. van Vogt und Stanley G. Weinbaum.
Alle Bücher mit umfangreichem Kommentar vom Herausgeber.
Artikel
- Can Mechanical Brains Have Consciousness? (Startling 1953)
- The Logical Parallax (Astounding 1953)
- Achilles and the Tortoise (Astounding 1954)
- Aristotelian and Non Aristotelian Logic (Startling 1954)
- The Seetee Mind (Startling 1954)
- The Soul of a Robot(Startling 1955)
- The Thought Translator (Startling 1955).
Über Gotthard Günther
Dieter von Reeken (Hg.): Gotthard Günther. Science Fiction als Metaphysik? Einleitung und Kommentare zu den vier »Rauchs Weltraum-Büchern« (1951/52). Nachwort von Franz Rottensteiner (mit einem Beitrag von Rainer Eisfeld), 2. Aufl. Lüneburg (Dieter von Reeken Verlag) 2016
Weblink
- Gotthard Günther in der
Internet Speculative Fiction Database (englisch)
Einzelnachweis
- ↑ an anderer Stelle wird als Todesjahr 1985 genannt: Heyne Lexikon der Science Fiction Literatur, Seite 507