Dieter Steinseifer

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Dieter Steinseifer (r) mit Dieter Sachse (l) auf dem Jubicon im Sommer 2005

Dieter Steinseifer (* 15. Februar 1941 in Rosenheim(?); † 30. Dezember 2020 in Rosenheim; auch DiSt genannt) war ein langjähriges Mitglied des deutschen Fantasy- und Science Fiction-Fandoms. Er gehörte zudem zu den Pionieren der deutschsprachigen Pen & Paper-Rollenspiele.

Leben

Dieter Steinseifer stammte aus dem oberbayrischen Rosenheim. Noch während seiner Zeit als Schüler inszenierte er Theaterstücke an seinem Gymnasium, ein Umstand mit dem er später seine Affinität zum Rollenspiel begründete.[1]

Wegen seines großen Interesses für Raumfahrt und Astronomie begann er nach seinem Abitur ein Studium der Physik[2] in Marburg[1], wenngleich er später in einem Nachruf von Hermann Ritter als Ingenieur bezeichnet wurde.[3] Während seines Studiums war er Mitglied der Studentenverbindung Alemannia Marburg. Dort galt er als Gegner des Fechtens und warb stattdessen für einen „Pflichtvortrag in der Öffentlichkeit [als] ein echtes Äquivalent für das Fechten“.[4]

Ab den 1970ern, nach Ende seines Studiums, bis Mitte der 2000er-Jahre lebte Dieter Steinseifer in Paderborn.[5][6]

Science Fiction-Fandom

Seit Ende der 1950er-Jahre war er im SF-Fandom aktiv und trat noch als Schüler am 01.10.1958 in den Science Fiction Club Deutschland ein. Seine Mitgliedsnummer war die 1343.[7] In dieser Zeit begann er auch für Fanzines zu schreiben und sich mit viel Hingabe für den Club zu engagieren.

1963 gründete er die SFCD-Gruppe „Kontakt“.[8] 1965 berichtete er im Andromeda SF Magazin über die Gründung einer SFCD-Gruppe Rosenheim.[9] 1968 rief er in Rosenheim seinen eigenen Club ins Leben, den Science-Fiction-Club Luna, der zeitweise auch ein eigenes Fanzine, die Luna Times, herausgab und dem unter anderem Franz Ettl (1924-1983) angehörte.[2]

1968 wurde er als Nachfolger von Axel Melhardt stellvertrender Vorsitzender des SFCD.[10] In dieser konfliktgeprägten Zeit, in die auch die Politisierung und Lagerbildung im Klub fiel, tat er viel, eine Auflösung oder ein Auseinanderbrechen des SFCD zu verhindern. Teils wurde sein Engagement als entscheidend für das Überleben und Fortbestehen des Clubs gesehen.[11] Außerdem war er damals für einige Ausgaben Chefredakteur des SFCD-Clubmagazins Andromeda Nachrichten und schrieb für Hefte wie Tellus oder die Sixth Dimension Times. 1975 wurde er in seinem Amt durch Jürgen Mercker abgelöst.

Publizistisch machte Dieter Steinseifer auch mit eigenen SF-Fanzines bzw. Egozines auf sich aufmerksam. Zu nennen sind hier Vorhut sowie insbesondere Flieger. Letzteres Magazin erschien seit mindestens Anfang der 1960er-Jahre bis in die späten 2000er-Jahre und brachte es auf 62 Ausgaben.[12]

Ende der 1960er-Jahre war Steinseifer freiberuflicher Lektor für Science-Fiktion-Hörspiele beim Bayerischen Rundfunk.

Fantasy und Rollenspiel

Noch in den 1960er-Jahren begann er ein wachsendes Interesse für Fantasy zu entwickeln. Er war anwesend, als die Fantasy-Vereinigung FOLLOW beim SFCD-Jahrestreffen 1966 in Wien von Hubert Straßl und Eduard Lukschandl gegründet wurde.[13][14] Ein halbes Jahr später trat er selbst FOLLOW bei. In der Folgezeit gehörte er zum harten Kern von FOLLOW und wirkte dort an der Ausgestaltung der Welt Magira mit.[15] Er nahm aktiv an der Simulation und dem Bespielen Magiras teil; in Erinnerung blieb er auch als „Clanoberhaupt des Drachenordens von Ranabar“, den er 1970 beim Heicon ´70 gründete[16] und als „Waran Jand“ viele Jahrzehnte leitete.[17] Für den Drachenorden brachte er auch ein weiteres, eigenes Fanzine heraus: Den Drachenbrief. Mit Erwin Knobl († 1983), Harald Zubrod, Stefanie Seipp, Peter Selinke und Norbert Weiser gehörten weitere Pioniere des deutschen Pen&Paper ebenfalls zum Drachenorden.

1976 brachte das FOLLOW-Mitglied Josef Ochmann Dungeons & Dragons von einem USA-Aufenthalt nach Deutschland mit. Im Sommer 1977, auf dem von FOLLOW organisierten 6. Fest der Fantasie im bayerischen Gumattenkirchen, fand unter Ochmanns Leitung das erste „Übungsrollenspiel“ statt: Dabei wurde D&D als Regelbasis und Magira als Spielwelt verwendet. Dies war eine der ersten, wenn nicht sogar „die“ erste deutschsprachige Pen & Paper-Runde überhaupt. Teilnehmer waren damals unter anderem Jürgen und Elsa Franke, Gustav Gaisbauer und Eduard Lukschandl.[18]

Im März 1978 startete Steinseifer bei einem Treffen in Marburg mit Abenteuer in Ranabar die zweite Rollenspiel-Kampagne überhaupt im Magira-Universum und möglicherweise auch die zweite deutschsprachige Kampagne überhaupt.[19]

Im FOLLOW-Umfeld gab es schnell zwei verschiedene Lager, die ihre eigene Vision für ein Rollenspiel auf Magira entwickelten. Auf der einen Seite stand die Gruppe um Elsa und Jürgen Franke, deren System sich später zu Midgard entwickelte, auf der anderen Seite war die Gruppe um Steinseifer, Erwin Knobl und den Drachenorden. Sie publizierte ihre Regelvarianten im Drachenbrief. 1987 entstand daraus die Abenteuerrunde GbR, die ein Jahr später Abenteuer in Magira als eigenständiges Pen&Paper-Rollenspiel veröffentlichte.[20] Durchsetzen konnte es sich auf dem inzwischen von Das Schwarze Auge dominierten Markt jedoch nicht.

Nachdem er zunächst noch gleichermaßen im Umkreis des SFCD und des Follow aktiv gewesen war, verschob sich sein Schwerpunkt Ende der 1970er-Jahre immer mehr in Richtung Fantasy und Follow. Ab 1978 gehörte er auch zum Ersten Deutschen Fantasy Club. 1984 moderierte er den Kongress der Phantasie in Passau, bei dem er auch 1988, 1996 und 2008 als Moderator auftrat.

Letzte Jahre

Mitte der 2000er-Jahre zog Steinseifer zurück in seine bayerische Heimatstadt Rosenheim, wo auch sein Bruder Bernd lebte. 2015 erhielt er den Deutschen Fantasy Preis für „seine Pionierleistung bei der Popularisierung des Fantasy-Rollenspiels in Deutschland“. Im selben Jahr gab er auch die Leitung seines Magira-Clans (Drachenorden von Ranabar) ab.[21]

In seinen letzten Lebensjahren litt Dieter Steinseifer an den zunehmenden Folgen einer Demenzerkrankung, die schließlich dazu führte, dass er sein Mitwirken im Fandom ganz einstellen musste und sich komplett zurückzog.[22] Um 2010 erschien die letzte Ausgabe seines Flieger-Zines, mutmaßlich 2011 folgten seine letzten Beiträge in anderen Fanzines. Er verstab am 30.12.2020 in Rosenheim.[23]

In Nachrufen wurde Dieter Steinseifer als hilfsbereite, sympathische, engagierte und fachkundige Persönlichkeit beschrieben, die zahlreiche Fanszenen entscheidend mitprägte.[24] Schon vor seinem Tod wurde er als „graue Eminenz in jedem deutschen phantastischen Fandom“[25], als „Mentor vieler [früher] Rollenspieler“[26], „Elder Statesman der deutschen Phantastik-Szene“[27] oder „legendärer FOLLOW-Vertreter“ bezeichnet.[28]

Quellen

  1. 1,0 1,1 Gero Pappe, P&P-Rollenspiel: der kollektive Zugang zu utopischen Weltentwürfen und individuellen Phantasie-Konstrukten. Logos Verlag Berlin GmbH, 2011; S. 84-100
  2. 2,0 2,1 Ausgabe 112, Munich Round Up, S. 8
  3. Nachruf auf Dieter Steinseifer von Hermann Ritter
  4. Kugel am Bein, 11.01.1970 im SPIEGEL
  5. Ausgabe 120 des Fanzine-Kuriers (November 2004): Dieter Steinseifers Wohnort ist noch in Paderborn
  6. Ausgabe 131 des Fanzine-Kuriers (November 2006): Dieter Steinseifers Wohnort ist in Rosenheim
  7. SFCD Intern in Andromeda Nachrichten #130 (02/1991), Januar 2021, S. 39
  8. Thomas Recktenwald: Dieter Steinseifer †, in Ausgabe 272, Andromeda Nachrichten, Januar 2021, S. 8-9
  9. Inhaltsverzeichnis Andromeda Nachrichten 50 auf sf-hefte.de
  10. Ehemalige Vorstandsmitglieder des Science Fiction Club Deutschland
  11. Thomas Recktenwald: Science Fiction Club Deutschland e.V. A short history.
  12. Zitat für 62 oder 63 Ausgaben benötigt!
  13. Dreifacher Geburtstag im Februar, in Fandom Observer 261 (03/2011)
  14. Mitschnitt mit Originalton: Wissenswertes über FOLLOW, Programmpunkt mit Dieter Steinseifer, Hermann Urbanek, Hermann Ritter und Robert Vogel auf dem SFCD-Con (04.05.2005); gefunden auf hermannritter.de
  15. Rückblick: Treffen der SF-Gruppe Hannover vom Samstag, den 11.09.1999
  16. Geschichte des Drachenordens von Ranabar auf ranabar.de (archiviert)
  17. Der Jand ist von uns gegangen auf erainn.de
  18. Manfred Roth: Am Anfang war Follow auf erainn.de
  19. Abenteuerrunde auf tally-ho.de
  20. Abenteuer in Magira auf drosi.de
  21. FOLLOW wird 50 auf hermannritter.de
  22. Im Bericht zur Colonia Con 23 (2018) schreibt Hermann Ritter über Dieter Steinseifer: Der lebt noch, aber zurückgezogen und ohne Kontakte.
  23. Todesanzeige Dieter Steinseifer im Oberbayerischen Volksblatt
  24. Klaus N. Frick: Ich denke an Dieter Steinseifer, 20. Januar 2021, auf enpunkt.blogspot.com
  25. Manfred Roth: Midgard-Anekdoten
  26. Rollenspielerinnerungen auf peterssoftwareprojects.com
  27. Stammtische I & Fanzines: Drachenbrief 110 in Fandom Observer 144 (06/2001)
  28. Der Würfel rollt, Armeen ziehen: Radom-Con in Kassel, 15.-17.06.07 auf zauberspiegel-online.de